Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tag, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet von den Dächern. (Mt 10,27)

 

 

 

 

 

Pfarrer Remo Eggenberger liest die Messe wie jeden Tag. Die Kirche ist wie immer mit frischen Blumen dekoriert. Auch der Sakristan ist da. Doch die vielen Stühle bleiben leer. Seit ein paar Wochen sind die Gemeindemitglieder angehalten, daheim zu bleiben. Die gemeinsamen Gottesdienste sind gestrichen, seitdem sich das Corona-Virus ausgebreitet hat. Am 17. März beschloss der Bundesrat einen Lockdown mit einem Versammlungsverbot bis auf weiteres. Wahrlich eine spezielle Zeit, die wir alle erleben.

Doch was bedeutet dies konkret für die Pfarrei? Wie geht es weiter? Gerade auch in der für die Kirche wichtigen Osterzeit? Wackelt nun gar das Glaubensfundament?

«Erst dachte ich, dass ich keine Messe mehr habe. Dann habe ich sie daheim für mich allein gefeiert. Das mache ich in den Ferien ja auch» erzählt Pfarrer Remo Eggenberger. Doch dass auf die Länge etwas fehlen wird, wurde ihm schnell bewusst. Da völlig ungewiss ist, wie lange es dauert, bis er wieder vor der versammelten Gemeinde sprechen kann, hat er Massnahmen ergriffen. Zuerst lud er einen Kollegen zur Messe ein, dann wurde ein erster Gottesdienst über die Online-Plattform Zoom gefeiert und schliesslich entschied man sich, die Gemeindemitglieder per Livestream über YouTube zu erreichen. Am Palmsonntag wurde die erste Messe via Internet ins Wohnzimmer der Gemeindemitglieder gesendet.

Ermöglicht wurde dies auch durch den Sakristan Marcel Walder, der nebst seinen gewohnten Tätigkeiten zum Kameramann berufen wurde. «Anfangs war es herausfordernd, die richtigen Knöpfe zu drücken und die Kamera ruhig zu führen» erzählt er. Mittlerweile hat er sich an den Ablauf gewöhnt. «Ich bin froh, dass wir etwas machen. Aber ich freue mich, wenn alles wieder normal wird und die Leute in den Gottesdienst kommen können» meint Walder.

Über die Heiligen Tage wurde der Livestream rege genutzt. Für die weniger Computer affinen Personen gab es auch die Möglichkeit, ein Radio zu bestellen. 100 Radios wurden von der Kirchenpflege bereit gestellt, auf denen das Programm von Radio Maria zu hören ist. So konnte, gerade auch in der Osterzeit, die frohe Botschaft von Jesus Christus gehört werden.

Damit alle Mitglieder erreicht werden, ist Remo Eggenberger mit dem ganzen Team der Pfarrei kreativ geworden. Not macht bekanntlich erfinderisch. Bald nach dem Lockdown brütete man beim Kaffee über Ideen, wie man die Gemeindemitglieder erreichen kann. Jeder vom Team sitzt an einem eigenen Tischchen, mit den obligaten zwei Metern Abstand dazwischen. Eine Situation, an die sich alle erst gewöhnen mussten. Doch die Stimmung im Team ist gut. «Wir sind zuversichtlich und fühlten uns von Anfang an von Gott getragen» meint Barbara Maria Schönbucher von der Sozial- und Jugendarbeit.

Zusammen mit der Reformierten Kirche Furttal, der Gemeinde Regensdorf und der Jugendarbeit Buchs wurde eine Nachbarschaftshilfe aufgebaut. Angebote wie einkaufen, mit dem Hund spazieren gehen oder Unterstützung beim Homeschooling waren praktischer Art und wurden gerne genutzt. Besonders Menschen, die zur Risikogruppen gehören und deshalb in Quarantäne mussten, waren froh um den Beistand. Priscylla Barros, eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern, war mit zwei Kindern im Schulalter daheim herausgefordert. Sie erkrankte zudem an einer akuten Lungenentzündung. Sehr dankbar äussert sie sich «Ich habe überhaupt nicht erwartet, dass die Katholische Kirche mir so zur Seite stehen wird». Für die überaus aktive Familie war es nicht einfach, so viel Zeit drinnen zu verbringen. Auch der 30. Geburtstag von Barros fiel in diese Zeit. Dass sie auf ein grosses Fest verzichten musste, nimmt sie gelassen. «Diese Phase hatte einen positiven Einfluss auf uns alle. Wir haben gemerkt, dass wir sehr wenig brauchen, um glücklich zu sein». Auch der Glaube an Gott hat der Schweizerin mit brasilianischen Wurzeln geholfen. «Ich konnte mich daran festhalten. Wenn meine Zeit kommen wird, werde ich gehen, ob mit oder ohne Corona». Ein starkes Statement für den Glauben.

Für die Mitglieder der Katholischen Kirche wurde zudem ein Hauslieferdienst angeboten. Sebastian Lasch nahm die Anrufe im Sekretariat entgegen. Rolf Knepper, Lucia Petros und Barbara Maria Schönbucher kümmerten sich um die speziellen Wünsche der Gläubigen. So wurde das ältere Ehepaar Klaus und Lotti Mazenauer vor Ostern mit der Osterkerze und Palmzweigen beliefert. Sie freuten sich über die persönlichen Besuche von Barbara Maria Schönbucher und den kurzen Schwatz am Fenster.
Derweil ist Lilly Zaja, Leiterin des pastoralen Bistros Hl. Verena zur Kräuterfrau berufen worden. Statt Kaffee auszuschenken, mixt sie nun altbewährte Heilmittel wie etwa Oregano-Öl. «Gott hat mich auf Oregano aufmerksam gemacht. Das Königskraut wirkt als natürliches Antibiotikum und gegen Influenza-Viren» erklärt Zaja. Mit der Pflanze stellt sie ätherisches Öl zur äusserlichen Anwendung her sowieso Speiseöl für Salat oder Pasta. Neu erhältlich ist bei der Pfarrei auch das Heilige Charbel Öl aus dem Libanon, welches die geistige und seelische Heilung begünstigt. Weitere praktische Gesundheitstipps zur Stärkung des eigenen Immunsystems hat die Pfarrei auf ihrer Webseite veröffentlicht.

Ein zusätzliches Corona-Budget von 15’000 Franken wurde von der Kirchenpflege aufgestellt. «Damit wollten wir Menschen beschenken, die es nicht erwarten» sagt Kirchenpfleger Giovanni Catania. Zusammen mit Maria Constanti von «Helfen sie helfen» wurden die Insassen des Gefängnisses Pöschwies beschenkt. Auch die Mitarbeiter des Altersheims in Regensdorf erhielten liebevoll zusammengestellte Geschenke und empfingen so besondere Wertschätzung für ihre Arbeit. Die Überraschung war demnach gross. Viele riefen an und bedankten sich. «Sie merkten, mit wieviel Liebe die Geschenke gemacht waren» freut sich Catania.

Die seelsorgerliche Begleitung war mit zusätzlichen Herausforderungen verbunden. Viele hatten grosse Mühe mit der Isolation. «Viele Menschen, auch junge, litten unter Einsamkeit und Ängsten. Manche hatten Panik aufgrund den Berichten in den Nachrichten» erzählt Barbara Maria Schönbucher. Auch sie selber erlebte Momente von Angst. Nicht vor dem Virus, sondern eher vor der Entwicklung der weltpolitischen Lage. Da half es ihr den Fokus auf Jesus zu richten. «Manchmal fühlte ich mich wie ein Jünger auf dem Boot mit Jesus im Sturm auf dem See Genezareth. Da spürte ich, wie Jesus mein Vertrauen möchte. Wenn ich komplett vertraue, dann darf ich erleben, dass es wieder ruhig wird in mir» meint Schönbucher. Diese Ruhe hilft ihr, andere aus Angst hinauszuführen und seelsorgerlich zu begleiten. Sie kann dieser Zeit auch viel Gutes abgewinnen. «Es sind mehr soziale Kontakte entstanden, der Glaube ist tiefer geworden und viele um mich herum sind Jesus näher gekommen» freut sich die herzliche Sozialarbeiterin.

Es ist positiv, wenn die Beziehung zu Jesus mehr Raum erhalten hat und seinen Worten Glauben geschenkt wird. «Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt» heisst es im Matthäus Evangelium (Matthäus 28,20). Mit dieser Verheissung kann hoffnungsvoll nach vorne geblickt werden.

Auch Giovanni Catania wurde in dieser Zeit persönlich gestärkt. Besonders die Familie hat an Stellenwert gewonnen. «Wir als Familie hatten mehr Zeit zusammen, assen immer zusammen, beteten zusammen. Es war eine Gnadenzeit» beschreibt er die Corona-Zeit. Auch für die Jugendlichen Lya Dell’Ana und Lara Correia hat die Familie an Bedeutung gewonnen. Die ganze Zeit gemeinsam im Haus zu sein, empfand Lya (14) als positiv «Ich habe es genossen, mit meiner kleinen Schwester zu spielen und habe auch gerne im Haushalt geholfen» sagt Lya (14). «Meine Familie ist mir in dieser Zeit sehr wichtig geworden. Es kam nie Langeweile auf» meint Lara (14). Auch der Glaube spielt eine Rolle in ihrer beider Leben. «Er gibt mir Hoffnung, dass alles wieder gut wird» meint Lara. «Mir hilft der Glaube, er beruhigt mich. Wenn ich bete, kann ich besser einschlafen« sagt Lya. Es klingt, als wäre die Apostelgeschichte wieder real geworden. Aus dem Buch wird auch bei der Ostermesse gelesen. Es ist die Geschichte der ersten Christen. Sie teilten ihr Hab und Gut, brachen das Brot in ihren Häusern, assen gemeinsam und lobten Gott mit aufrichtigen Herzen. So wurde Gottesdienst gefeiert (Apostelgeschichte 2, 42-47) und so wird er auch jetzt gefeiert. Die Kirche ist also nicht (nur) ein Gebäude, sondern vor allem sind es die Menschen selber, die die Kirche bilden.

Wer Mühe hat, die Heilige Kommunion in dieser Zeit nicht vom Pfarrer empfangen zu können, der wird ermutigt, die Nähe von Jesus persönlich zu suchen durch den Empfang der geistlichen Kommunion. Für die Beichte und persönliche Seelsorge ist Pfarrer Remo Eggenberger jederzeit da und die Kapelle bleibt fürs Gebet offen.

Das Licht von Jesus scheint also mitten in die Corona-Krise hinein und lässt sich nicht auslöschen. «Das Volk, das im Dunkeln sass, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen» (Matthäus 4,16). Dieser Vers aus dem Matthäus-Evangelium war die Grundlage für die Osterkerze, die auch dieses Jahr speziell von Pfarrer Remo Eggenberger gestaltet wurde. Ein schwungvolles rotes Kreuz hebt sich empor aus dem Dunkel und wird von hellem Licht umstrahlt. Es soll Jesus symbolisieren, der die Kraft des Todes sprengt und von den Toten auferstanden ist, erklärt der Pfarrer.

«Jesus lebt, er ist mit uns auf dem Weg, ich begegne ihm in der Geschichte meines Lebens. Vielleicht auch dort, wo ich mit meiner Geschichte nicht einverstanden bin. Wir haben alle Punkte in unserem Leben, die nicht so hell sind. Aber gerade dort begegnen wir ihm, dort will er unser Leben erleuchten und erlösen» sagt Eggenberger. So ist Ostern dann erlebbar, wenn ich bereit bin, mich so zu sehen wie ich bin und mich vom lebendigen Gott berühren zu lassen.

Diese Botschaft gilt nicht nur an Ostern, sondern das ganze Jahr über. An ihr kann nicht gerüttelt werden. Sie gilt, ob die Kirchenstühle leer sind oder nicht. So gesehen, wackelt der Glaube nicht - im Gegenteil - er hat bei vielen erst recht an Tiefe gewonnen.

Ja, so schnell wird wohl niemand den Anfang dieses neuen Jahrzehnts vergessen. Wohl gibt es in dieser Zeit Schwieriges und Herausforderndes, aber auch viel Positives. Die Medien sprechen mit einer gewissen Dramatik von einer «vor und nach Corona Zeit». Die gibt es wohl, doch ein Meilenstein in der Geschichte der Menschheit ist das nicht. «Es gibt nur EIN Vorher und Nachher, welches wirklich wichtig ist und das ist die Auferstehung von Jesus Christus. Kein Ereignis - auch kein Corona Virus - ist grösser als Gott» sagt Pfarrer Remo Eggenberger. «Nichts kann uns von der Gottes Liebe trennen» (Römer 8,39).

Tina Schmidt