Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tag, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet von den Dächern. (Mt 10,27)

 

 

 

 

Liebe Schwestern, liebe Brüder

Das Evangelium des dritten Fastensonntages endet in diesem Jahr mit der Feststellung: «Jesus […] wusste, was im Menschen war». Ja, Er und nur Er weiss, was in uns, in unserem Herzen vor sich geht und was wir darin tragen!

Seit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus ist der Ort Gottes auf Erden – der wirkliche Tempel Gottes – nicht etwa aus Stein gebaut, sondern in unserem Fleisch und Blut. Er ist die Kirche und Kirche sind auch wir Menschen, die von ihm erlöst wurden. Die Welt, das Universum und alle Menschen sind das Zuhause Gottes. Unser christlicher Glaube verkündet, dass der Tempel Gottes, an erster Stelle wir Menschen und die erschaffene Welt sind. Die Schöpfung, welche Gott uns Menschen anvertraut hat, ist Tempel Gottes.

Die Umkehrfrage der Fastenzeit sollte deswegen zuerst und vor allem lauten: Was findet Gott in meinem Herzen vor? Findet er in meinem Innern einen Ort des Gebetes, des Dankes, der Freundschaft, der Vertrautheit und des Dialogs? Wie damals, in Jerusalem, spricht der Herr auch heute vom Tempel seines Leibes. Dieser Tempel sind wir.

Er will ein Zuhause, in dem nicht das «Ich» vergöttert wird. Nur im «Wir» sind wir Glieder des Leibes Christi, Kirche, Ort Gottes in der Welt und für die Welt. Wir kennen das folgende Wort des Herrn sehr gut: «Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan».

Wie gehen wir mit dem Tempel um, mit dem Leib Christi, welcher unsere Schwestern und Brüder im Herrn verkörpern? Nutzen wir sie aus, wollen wir Geschäfte mit ihnen treiben? Verlangen wir hohe Zinsen für die ihnen gegenüber erwiesener Liebe? Beschmutzen wir sie mit übler Nachrede? Der Herr wartet auf uns bei unseren Mitmenschen. Sie sind Zeichen seiner Gegenwart in der Welt. Er ist sehr dankbar für das kleinste Zeichen von Feinfühligkeit, Mitgefühl, Zärtlichkeit, Wertschätzung und vor allem von Liebe, die wir im Umgang mit den Nächsten aufbringen.

Verbunden im Gebet, mit den besten Segenswünschen grüsse ich Sie herzlich

Joseph Maria Bonnemain
Bischof von Chur

Hinweis auf die liturgischen Texte:
Lesungen vom 3. Fastensonntag, Lesejahr B
1. Lesung: Ex 20,1-17
2. Lesung: 1 Kor 1,22-25
Evangelium: Joh 2,13-25